Kapitel 2 - Spielkonzepte und Terminologie


Unter dem Begriff Multiplayer Game versteht man formal zunächst einmal jede Art von Computer- oder Videospiel, an welchem mindestens zwei menschliche Spieler teilnehmen und in irgendeiner Weise mit- oder gegeneinander agieren. Diese Definition ist allerdings nicht mehr ganz zeitgemäß, da es sich bei den Ende der 70er Jahre in Form von Spielkonsolen und Anfang der 80er Jahre auf Homecomputern aufkommenden Archetypen durchweg um Spiele handelte, in denen zwei oder mehr Personen an demselben Gerät spielten - ein Konzept, das heutzutage teilweise noch im Bereich der Spielkonsolen, auf dem PC aber eher selten anzutreffen ist und hier auch nicht Gegenstand der Betrachtung sein soll.

Multiplayer Games im Sinne dieser Arbeit sind Spiele, die zusätzlich zum oben genannten Kriterium auch noch die Eigenschaft haben, dass sie auf miteinander vernetzten Geräten basieren sowie dass die Zahl dieser Geräte und somit auch der Teilnehmer bis zu einem gewissen Grade skalierbar ist. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf den über das Internet spielbaren Produkten.

Neben den im Folgenden detailliert eingeführten FPS, RTS, RPG und MMOG existieren noch diverse weitere, ebenfalls online praktizierte Multiplayer-Genres mit einer teilweise nicht zu vernachlässigenden Marktpräsenz. Ein Beispiel sind Sport- und Autorennspiele, bei denen es sich um mittlerweile ausgesprochen realistische Simulationen herkömmlicher Sportarten handelt, in denen die Spieler dann gegeneinander antreten. Da diese aber bisher in punkto Szenebildung und Selbstorganisation der Spieler im Netz, zumindest im deutschen Sprachraum, deutlich hinter den obengenannten Genres zurückstehen [GS21] und ihre Spielgemeinschaften zur Zeit im Allgemeinen eher kurzlebiger Natur sind, konzentriere ich mich im Rahmen dieser Einführung auf die Vorstellung der vier Hauptkategorien, welche den weitaus größten Teil der organisierten Onlinegaming-Szene repräsentieren.

2.1 First Person Shooter (FPS, auch: Egoshooter)

Der Siegeszug dieses wohl mit populärsten und in der Presse oft fälschlicherweise als Synonym für Onlinegaming ("Killerspiele") gebrauchten Genres begann Anfang der 90er Jahre mit dem Erscheinen der Spiele Wolfenstein 3D und Doom (das erstmals einen Mehrspielermodus für bis zu vier Teilnehmer besaß). Der Nachfolger Quake, ebenfalls von der Firma id Software, leitete 1996, im Windschatten des Internetbooms, schließlich den endgültigen Durchbruch ein [IDsoft]. Hochwertige 3D-Graphik in Echtzeit, volle Multiplayer-Funktionalität über TCP/IP und das bald darauf nachgeschobene QuakeWorld Add-On, welches durch ausgeklügelte Maßnahmen zur Player Prediction komfortables Spielen über das Internet trotz der damals noch üblichen hohen Latenzzeiten ermöglichte, setzten auf Jahre hinaus Standards - und nicht nur technischer Art. So war unter anderem auch die offizielle Gründung der ersten Clans, im Sinne von vereinsähnlichen Spielgemeinschaften, eine direkte Folge der Begeisterung für diesen Egoshooter.



Abbildung 1: Spielszene aus Quake III Arena


Der Begriff selbst leitet sich ab vom Blickwinkel des Spielers. Dieser nimmt die Umgebung aus der Ich-Perspektive wahr und sieht dabei außer seiner Umwelt üblicherweise lediglich noch den Lauf seiner Waffe vor sich. Während das Keyboard für die Steuerung der Laufbewegungen nach vorne, hinten oder seitwärts genutzt wird, dient die Maus zur Kontrolle der Blickrichtung. Der Spieler bewegt sich in einer komplett dreidimensional ausgelegten Welt mit allen Freiheitsgraden und kann dabei weitgehend realistische Aktionen wie Laufen, Ducken, Springen, Schwimmen oder Schießen durchführen. Das Spielgeschehen konzentriert sich in erster Linie darauf, die Mitspieler durch geschickte Fortbewegung und den Einsatz der jeweils geeigneten Waffen aus dem verfügbaren Arsenal möglichst effektiv auszuschalten.

Im klassischen Deathmatch-Modus (DM) treten Teams in der Stärke von jeweils 1-4 Spielern mit dem Ziel gegeneinander an, innerhalb eines bestimmten Zeitlimits eine größere Anzahl von Frags (Abschüssen) als der Gegner zu erreichen. Dabei spielt das Aufsammeln von periodisch wieder erscheinenden, herumliegenden Ausrüstungsgegenständen, Waffen und Power-Ups eine maßgebliche Rolle, weshalb eine gute Kenntnis der Spielarena (Map oder Level) vonnöten ist. Sobald ein Spieler eliminiert ist, erscheint er mit Minimalausrüstung versehen umgehend wieder an einer durch die jeweilige Map festgelegten Position (Respawn) und kann sofort erneut ins Spielgeschehen eingreifen. Ist ein Server durch die Bezeichnung Public oder das Kürzel FFA (Free For All) gekennzeichnet, handelt es sich um ein offenes Spiel, wo jedermann teilnehmen kann und keine festen Teams existieren.

Neben diesen seit Jahren und wohl auch noch in Zukunft lange populären rudimentären Spielarten haben sich mit der Zeit allerdings auch eine Unzahl taktisch komplexerer Varianten herausgebildet. Beim CTF (Capture The Flag) beispielsweise kommt als neues Hauptspielziel das Stehlen der gegnerischen Fahne hinzu; trägt man sie bis in die eigene Festung, erhält das Team Punkte dafür. Im C&H-Modus (Capture & Hold) dagegen steigt der Teamscore proportional zur Menge der eroberten und gehaltenen Kommandopunkte einer Map.

2.1.1 Skills

Obwohl die Fülle der Variationen mittlerweile nahezu unüberschaubar geworden ist, finden sich folgende drei Kernelemente, deren Beherrschung zwingend notwendig für den Spieler ist, mehr oder weniger stark ausgeprägt in jedem FPS wieder:
  • Aiming
  • Das Zielen und Feuern auf Gegner mit großer Präzision und Geschwindigkeit, auch unter widrigen Umständen und aus ungünstiger Position heraus stellt extreme Anforderungen an die Reaktionszeit und Hand-Auge-Koordination des Spielers. Man unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Waffentypen, welche jeweils unterschiedliche Schwerpunkte bei der Handhabung besitzen: neben den sogenannten Hitscan-Waffen, die innerhalb ihrer spezifischen Reichweite ohne merkliche Verzögerung sofort einen Treffer auf die Stelle setzen, auf welche das Fadenkreuz des Spielers zeigt, ist besonders die Verwendung ballistischer Waffen, bei denen Flugkurve und wahrscheinliche Bewegung des Gegners vorausberechnet werden müssen, ausgesprochen anspruchsvoll. Den dritten Typ stellen die ferngezündeten Waffen dar, deren erfolgreiche Anwendung in erster Linie eine schnelle Reaktion erfordert. Eine weitere für das Zielverhalten relevante Größe ist darüber hinaus bei einigen Waffen der Splash Damage (indirekt erzeugte Schadenswirkung durch Explosivstoffe).

  • Movement
  • Laufen, Ducken, Springen sowie exakte Navigation auch auf schwierigem Terrain, während gleichzeitig der Blickwinkel durch das Zielen ständig wechselt, bilden die grundlegenden Basisfertigkeiten jedes FPS-Spielers. Bei vielen Shootern kommen darüber hinaus auch noch Moves dazu, Bewegungsabläufe ohne Entsprechung in der Realität, die im Allgemeinen viel Übung benötigen. Auch hier sind die Anforderungen an die Hand-Auge-Koordination der Kombattanten hoch, die Abläufe müssen automatisiert ohne viel nachzudenken durchgeführt werden können. Fast jeder aktuelle FPS-Titel bringt daher mittlerweile einen Einstiegslevel mit, welcher ausschließlich dazu dient, die notwendige Sicherheit bei der Fortbewegung zu erlangen.

  • Tactics
  • Während in klassischen Spielmodi wie Deathmatch die taktischen Belange noch am ehesten mit denen einer Sportart wie Handball zu vergleichen sind und in erster Linie ein gutes Timing, schnelle Auffassungsgabe, Täuschungsmanöver bei der Bewegung und das gezielte Zusammenspiel von jeweils zwei bis drei Teammitgliedern zur Erlangung vorteilhafter Schusspositionen im Vordergrund stehen, geht die Entwicklung mit steigender Spielerzahl pro Team bei neueren Titeln eher ins Strategische. Die Simulation komplexer Gefechte, bis hin zu ganzen Schlachten, stellt gänzlich neue Ansprüche an die taktische und strategische Planung eines Matches.

2.1.2 Realismus

Während Titel wie Counterstrike oder Battlefield 1942 als im Rahmen des Möglichen realistische militärische Kampfsimulationen ausgelegt sind, welche sich weitgehend um die Beachtung physikalischer Gesetze und naturgetreuen Waffenverhaltens bemühen, ist der Grundansatz bei Spielen wie Unreal Tournament oder Quake genau entgegengesetzt. Hier ist mangelnder Realismus Teil des Konzepts, was sich auch, aber nicht nur, im meist eher comicartigen Stil der graphischen Darstellung ausdrückt. Die martialischen Waffenarsenale und deren vergleichsweise harmlose Schadenswirkung (so ist z. B. ein Volltreffer mit dem Raketenwerfer keineswegs ein Garant dafür, einen Gegenspieler eliminiert zu haben) stehen im krassen Gegensatz zu Realismus-Shootern, wo ein einziger Treffer oft schon das Aus für das Opfer bedeutet.



Abbildung 2: Realismus-Shooter Battlefield 1942 [gamespot]


Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die sogenannten Moves, spezielle Fortbewegungsarten, die in Spielen wie Quake durch die gewollt unrealistische Physik ermöglicht werden. Ein Sprung in die Luft bei gleichzeitigem Abfeuern eines Raketenwerfers auf die eigenen Füße (Rocketjump) beispielsweise katapultiert den Spieler bei geringem Verlust von Lebensenergie einige Meter hoch oder weit in taktisch günstigere Positionen, das Wechseln der Bewegungsrichtung in der Luft (Aerial) oder die Ausnutzung fehlender Reibung bei sehr kurzen Bodenberührungen und die dadurch ermöglichte Beibehaltung einer deutlich höheren als der normalerweise vorgesehenen Fortbewegungsgeschwindigkeit durch gezielt koordiniertes Springen in schneller Folge (Bunnyhopping) sind andere populäre Varianten.

Während Moves ein fester Bestandteil des Trainings von ambitionierten Spielern unrealistischer Shooter sind und als unverzichtbares Feature gelten, werden sie von Liebhabern realistischer Shooter im Allgemeinen eher als störend oder als Bug angesehen; ideologische Grabenkämpfe um diese Thematik waren schon in der Anfangszeit der FPS an der Tagesordnung und erhitzen auch heute noch gelegentlich die Gemüter.

2.1.3 Klassenbasiertheit

Das Konzept von Class Based Shootern geht auf die Quake-Modifikation Team Fortress aus dem Jahre 1996 zurück [TF]. Die Grundidee besteht darin, dass nicht mehr jeder Spieler eines Teams dieselben Grundvoraussetzungen besitzt, was Lebensenergie, Rüstungsstärke, Laufgeschwindigkeit und Bewaffnung betrifft. Stattdessen kann man zwischen diversen Klassen mit verschiedenen Basiswerten auswählen und so beispielsweise eine sehr hohe Geschwindigkeit und einen Feindradar erwerben auf Kosten von nur leichter Panzerung und Bewaffnung, oder, um eine andere Alternative zu nennen, sich enorme Feuerkraft und Panzerung zulegen, dafür aber extrem langsame Fortbewegung in Kauf nehmen. Neben der Variation von grundsätzlichen Basiswerten spielt hier auch in zunehmendem Maße der Erwerb von Spezialfähigkeiten, wie z. B. dem Heilen von Teammitgliedern als Sanitäter oder dem Errichten von Selbstschussanlagen und Munitionsdepots als Ingenieur, eine Rolle.

Eine relativ eigenständige Variante wurde seinerzeit durch das rundenbasierte Half-Life: Counterstrike eingeführt [CS]. Hierbei wird nach dem Prinzip des "Last Man Standing" vorgegangen: stirbt ein Spieler, so kann er nicht sofort wieder am Spiel teilnehmen, sondern muss warten, bis nur noch Spieler eines Teams am Leben sind. Zu Beginn jeder neuen Runde hat man dann die Möglichkeit, Waffen und Ausrüstungsgegenstände gezielt käuflich zu erwerben, das dafür benötigte Geld erhält man für vorangegangene Frags.

War Class Based anfangs noch ein klares Unterscheidungsmerkmal für Shooter, so haben sich die Grenzen mittlerweile zu verwischen begonnen. Ein Großteil der aktuellen Titel, die sich auch zunehmend durch immer größere Teams (zur Zeit bis zu 32 Spieler pro Mannschaft) auszeichnen, macht in der einen oder anderen Form Gebrauch von klassenspezifischen oder vor Rundenbeginn flexibel zu erwerbenden Eigenschaften, was auch durchaus sinnvoll erscheint, da so eine Spezialisierung der Teammitglieder auf bestimmte Aufgaben erfolgen kann, um den wachsenden taktischen Ansprüchen gerecht zu werden. Diesem Trend entgegen stellen sich lediglich noch die klassischen Deathmatch Shooter, für welche Klassenbasiertheit aufgrund der sehr hohen Spielgeschwindigkeit und der traditionell eher kleinen Teams wenig Sinn ergibt.

2.2 Real Time Strategy Games (RTS)

Nachdem Strategiespiele auf dem Computer zunächst jahrelang dem klassischen, rundenbasierten Konzept entsprechender Brettspiele gefolgt waren, gelang es Westwood Studios mit dem Titel Dune 2 im Jahre 1992 zum ersten Mal, dieses Schema zu durchbrechen und die erweiterten Möglichkeiten des neuen Mediums nutzbar zu machen. In RTS Games besteht keine Beschränkung in Form von (abwechselnden) Zügen, sondern alle Aktionen werden in Echtzeit durchgeführt, ohne dass man auf den Opponenten warten müsste, bis dieser seinerseits reagiert. Neben der Tatsache, dass dadurch diese Spiele eine deutlich höhere Dynamik und Geschwindigkeit entwickeln, ist vor allem bedeutsam, dass gleichzeitig die Limitierung auf eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern praktisch wegfällt. Es spielt im Prinzip keine Rolle, ob man zu zweit oder mit 20 Teilnehmern spielt, da keinerlei Wartezeiten mehr auftreten können. Diese Idee setzte sich nachfolgend großflächig durch, so dass heute mit Ausnahme der MMOG nahezu jeder veröffentlichte Multiplayer-Strategie-Titel im Real-Time-Bereich anzusiedeln ist.

Das grundlegende Konzept der marktdominanten RTS, zur Zeit in erster Linie die Warcraft/Starcraft-Serie von Blizzard Entertainment [BlizzEnt] und die Command & Conquer-Reihe von Westwood, sieht wie folgt aus: jeder Teilnehmer beginnt das Spiel unter gleichen Bedingungen an seinem jeweiligen Startpunkt auf der Karte, wobei ihm eine kleine Menge von Einheiten und Ressourcen zur Verfügung steht. Durch Ausbau seiner Siedlung, Erkundung des Geländes, Erschließung neuer Ressourcen und Expansion mittels neu produzierter, verbesserter Einheiten versucht er nun, den oder die Gegner endgültig auszuschalten. Es ist üblich, zu diesem Zwecke feste oder wechselnde Allianzen mit Mitspielern einzugehen. Das Spiel ist im Allgemeinen beendet, wenn nur noch eine Partei Einheiten oder Gebäude besitzt.



Abbildung 3: Angriff auf eine Siedlung in Warcraft 3 [gamershell]


Während dies weitgehend auch noch der Idee klassischer Strategiespiele entspricht, sind wesentliche Details mittlerweile sehr spezifisch für das Medium Computer und wären, wenn überhaupt, nur hochgradig umständlich in einem Brettspiel realisierbar. Ein Beispiel dafür ist das Schlüsselelement Fog of War (FOW). Dabei handelt es sich um einen zweischichtigen "Schleier", der zu Beginn des Spiels über das gesamte Spielfeld ausgebreitet ist. Bis auf die Bereiche der Karte, welche innerhalb der Sichtweite der eigenen Einheiten liegen, ist das gesamte Spielfeld somit anfangs pechschwarz. Bewegt man nun seine Truppen und erkundet das umliegende Gelände, lüftet sich der Schleier. Zieht man sie allerdings weiter, so wird der erkundete Bereich graugeschaltet, so dass man zwar das Gelände dort noch erkennen kann, nicht aber die etwaige Anwesenheit feindlicher Truppen.

Alle RTS beinhalten über den Multiplayer-Modus (das zur Zeit gängige Limit liegt hier bei bis zu acht Spielern) hinaus auch umfangreiche Singleplayer-Kampagnen. Hierbei übernimmt der Spieler im Zuge der fortschreitenden Rahmenhandlung die Rolle verschiedener Protagonisten, wobei die Spielstärke der Computergegner im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt. Dadurch lernt er ganz nebenbei die Stärken und Schwächen der verfügbaren Rassen und Einheiten kennen, was ihm am Ende den Einstieg in den Multiplayer-Modus deutlich erleichtert.

2.2.1 Technology Tree

Das Errichten von Gebäuden und die Produktion bestimmter Einheiten sind insofern unmittelbar miteinander verwoben, als eine bestimmte Baureihenfolge eingehalten werden muss. Bevor bestimmte, rudimentäre Gebäude nicht fertiggestellt wurden, können weder Einheiten noch Gebäude komplexerer Bauart produziert werden. Umgekehrt ist auch die Errichtung bestimmter Gebäude vom Besitz spezifischer Einheiten abhängig. Die jeweiligen Interdependenzen lassen sich am übersichtlichsten in einer baumartigen Mappingstruktur darstellen, dem sogenannten Tech Tree. Es gelingt innerhalb eines einzelnen Spiels im Allgemeinen eher selten, alle verfügbaren Gebäude- und Einheitentypen sowie alle Aufrüstungsoptionen (wie stärkere Rüstungen für Fußtruppen oder neue Zaubersprüche für Magier) in vollem Maße auszubauen, weil die vorhandenen Ressourcen dafür nicht ausreichen. Daher konzentrieren sich verschiedene Spieler desöfteren auf unterschiedliche Zweige des Baumes, was eine Differenzierung der unterschiedlichen Spielstile zur Folge hat.



Abbildung 4: Technology Tree der Terraner in Starcraft [SClegacy]


2.2.2 Macromanagement

Unter diesem Begriff versteht man alle Aspekte, die nicht unmittelbar mit der direkten Steuerung von Einheiten zwecks Kampfhandlungen (Micromanagement) zusammenhängen, in erster Linie also Siedlungsplanung und Logistik. Gerade in der Anfangsphase eines Spiels, wo Ressourcen äußerst knapp bemessen sind, kann zu langsames oder taktisch unkluges Bauen zu einem schnellen Ende führen. So ist beispielsweise darauf zu achten, dass Gebäude, die der Verarbeitung bestimmter Rohstoffe dienen, in geringstmöglicher Distanz zu einer entsprechenden Rohstoffquelle errichtet werden, um den Antransport zu beschleunigen (z. B. baut man in Warcraft das Sägewerk optimalerweise mitten in einen Wald, damit die holzhackenden Arbeiter ihre Fuder nur wenige Schritte weit tragen müssen). In unmittelbarer Nähe der jeweiligen Startpunkte stehen oft nur geringe Rohstoffvorkommen zur Verfügung, weshalb es wichtig ist, rechtzeitig externe Quellen zu erobern, zu sichern und auszubeuten.

Da nicht unbegrenzt Einheiten produziert werden können, sondern jede von ihnen auch Nahrungsbedarf hat und entsprechende Farmen zur Versorgung gebaut werden müssen, muss desweiteren sorgfältig überlegt werden, wieviele Einheiten eines bestimmten Typs in der jeweiligen Spielsituation Sinn ergeben. Steht ein Angriff unmittelbar bevor, sind Kampfeinheiten essentiell, dabei darf allerdings die Beschaffung von Rohstoffen nicht völlig ins Hintertreffen geraten. Andererseits ist es überaus gefährlich, anfangs in zu großem Maße auf Ressourcenbeschaffung zu setzen, um schnell eine hohe Technologiestufe zu erreichen und erst dann Kampfeinheiten zu bauen (Teching), weil man sich damit in der Startphase verwundbar macht. Dies wird von vielen Spielern mit der beliebten Taktik des Rushing gnadenlos ausgenutzt, indem sie gleich zu Beginn weder viele Gebäude bauen, noch Ressourcen erschließen, sondern einfach eine größtmögliche Anzahl der einfachsten Fußtruppen produzieren, um dann den Gegner innerhalb der ersten Minuten des Spiels zu überrennen. Auch diese Vorgehensweise ist allerdings riskant, denn scheitert dieser Versuch, so ist der Vorsprung des Opponenten hinsichtlich des Technologielevels und Rohstoffbestandes meist kaum noch aufzuholen.

Zusammengefasst handelt es sich beim Macromanagement also um die Aufgabe, den Ausbau des Tech Tree, die Errichtung von benötigten Gebäuden und die Produktion von der Spielsituation angemessenen Einheiten hinsichtlich des Nachschubflusses von Rohstoffen zu optimieren und umgekehrt. Gelingt es einem Spieler, diesen Vorgang so zu gestalten, dass keine größeren Wartezeiten in der Produktionskette auftreten und zu jedem Zeitpunkt die gerade verfügbaren Rohstoffe optimal genutzt werden, hat er beste Aussichten auf den Sieg.

2.2.3 High-Tech und Magie

Neben traditionellen taktischen Gefechten mittels Nah- und Distanzkampftruppen am Boden sowie den je nach Spiel und Terrain häufig verfügbaren Luft- und Marineeinheiten, kommt den Spezialfähigkeiten im Bereich High-Tech (bei RTS mit Science-Fiction Hintergrund) beziehungsweise Magie (bei Fantasy-RTS) eine tragende Rolle zu. Sie werden üblicherweise durch spezielle, im direkten Nahkampf eher schwache Einheiten ausgeübt, sind aber von immenser Bedeutung. Die Teleportation ganzer Kampfverbände an beliebige Positionen der Karte, zeitlich begrenzte Unsichtbarkeit, das Heilen oder Schützen befreundeter Einheiten, oder die Wiedererweckung gefallener, auch gegnerischer, Truppen und deren Eingliederung in die eigenen Verbände sind nur ein kleiner Auszug der mannigfaltigen Möglichkeiten. Um diese taktischen Optionen nicht übermächtig werden zu lassen, ist ihre Ausführung an einen Energiebalken (Mana bei Fantasy RTS) gekoppelt, der sich mit der Zeit selbständig wieder auflädt. Das Energie-Reservoir der ausführenden Einheit muss dabei für jede Aktion einen bestimmten minimalen Füllstand erreicht haben; in der Zwischenzeit ist sie weitgehend wehrlos.

2.2.4 Rassen

In modernen RTS muss der Spieler sich zu Beginn auf eine von üblicherweise zwei bis vier verfügbaren Rassen festlegen. Im Spiel Starcraft sind dies beispielsweise Menschen und die beiden Alienrassen Zergs und Protoss, in Warcraft 3 hat man die Wahl zwischen Menschen, Orks, Untoten und Nachtelfen.

Diese Wahl ist entscheidend für den weiteren Spielablauf, da jede Rasse nicht nur deutlich andere Einheiten und Gebäude als die anderen besitzt, sondern sich auch im Grundkonzept stark von diesen unterscheidet. Eignet sich die eine beispielsweise besser zur Verteidigung und Befestigung von Stellungen, ist eine andere meistens wendiger und flexibler und kann schneller expandieren. Eine der Rassen ist meist auf Simplizität ausgelegt, besitzt weniger Gebäude- und Einheitentypen als andere, kann diese aber dafür schnell und in Massen produzieren, was im Gegensatz zur meist ebenfalls verfügbaren "High-Tech-Rasse" steht, die komplexere Einheiten mit mehr Ausbaustufen unter hohem Ressourcenverbrauch kreieren kann, welche dafür durch enorme Kampfkraft oder technische Spezialfähigkeiten glänzen.

Pro Rasse steht außerdem in einigen Spielen auch noch eine begrenzte Anzahl von Helden zur Verfügung. Diese sehr schlagkräftigen Einheiten werden angeworben oder beschworen und können im Falle ihres Ablebens mittels eines speziellen Gebäudes jederzeit wieder zum Leben erweckt werden. Neben einer hohen Anzahl von Lebenspunkten (Hitpoints) besitzen sie diverse Spezialfähigkeiten im Bereich Magie/High-Tech, die ansonsten keine andere Einheit im Spiel aufweist. Helden besitzen außerdem die Eigenschaft, Erfahrungspunkte durch gewonnene Kämpfe zu sammeln und damit ihre Basiswerte in punkto Schlagkraft, Rüstungsstärke, Lebensenergie und Mana sukkzessive zu erhöhen. Ein weiterer Vorteil ist ihre Fähigkeit, spezielle Gegenstände (Items) zu erwerben oder zu finden, die, solange am Mann getragen, ebenfalls eine Verstärkung ihrer Kampfkraft bewirken.

Einen Sonderfall stellen die nicht immer einer der wählbaren Rassen zuzuordnenden sogenannten Creeps dar. Hierbei handelt es sich um computergesteuerte Gruppen von vagabundierenden Monstern, die für gewöhnlich Rohstoffquellen oder Items bewachen und ein zusätzliches Hindernis beim Wettrennen um Ressourcen neben den menschlichen Gegnern bilden. Sie stellen in der Frühphase des Spiels auch eine begehrtes Angriffsziel für Helden dar, die ihre Schlagkraft mittels der dadurch erworbenen Erfahrungspunkte frühzeitig erhöhen können (Creeping) und somit beim ersten Aufeinandertreffen mit untrainierten menschlichen Gegenspielern diesen überlegen sind.

2.3 Role Playing Games (RPG)

Rollenspiele, nicht nur auf dem Computer, erfreuen sich seit geraumer Zeit weltweit wachsender Beliebtheit. Als wichtigste Voraussetzung für ihre Entstehung kann dabei wohl die Etablierung des Fantasy-Genres als fester Bestandteil zeitgenössischer Buchkultur gelten. Die Grundidee, nämlich das interaktive Erleben von Abenteuern als Charakter einer Phantasiewelt, im Gegensatz zum eher passiven Fabulieren beim Lesen eines Buches, wurde erstmalig im Jahre 1973 mit der Definition der D & D-Spielregeln (Dungeons & Dragons, später AD & D: Advanced Dungeons & Dragons) durch Gary Gygax für TSR, Inc. realisiert. Hierbei handelte es sich noch um ein sogenanntes Pen & Paper Rollenspiel, bei dem ein Spielleiter für den Entwurf der Rahmenhandlung sowie die Einhaltung der Regeln verantwortlich ist und das gänzlich ohne Computer auskommt.

Die Teilnehmer sitzen wie bei einem Brettspiel in gemütlicher Runde zusammen und agieren innerhalb der vom Spielleiter erzählten Geschichte, indem sie ihre Handlungen und Reaktionen auf die Situationen, in die er sie bringt, verbal beschreiben. Als Utensilien werden dabei neben Papier, Stift und dem obligatorischen Regelwerk nur noch die typischen, im Fachhandel erhältlichen Rollenspielwürfel benötigt, deren Besonderheit darin besteht, dass sie zum Teil deutlich mehr als sechs Seiten (bis zu 20 Seiten bei D & D: W4, W6, W8, W10, W12 und W20) aufweisen. Sie kommen stets dann zum Einsatz, wenn ein Spieler versucht, gemäß den Fähigkeiten seines Spielcharakters Aktionen wie eine Kampfhandlung, die Anwendung von Magie, oder auch einen Sprung über einen Abgrund durchzuführen und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg seines Versuchs.

Die naheliegende Idee, auf die Würfel zu verzichten und das gesamte Spiel in die freie Wildbahn zu verlegen, um dort "real" zu agieren, führte innerhalb des letzten Jahrzehnts zur Entwicklung einer vitalen Szene von Live-Rollenspielern (LARP, Live Action Role Playing). Diese treffen sich auf den sogenannten Con(vention)s mit teilweise bis zu mehreren hundert Teilnehmern und verwandeln das angemietete Freigelände, vorzugsweise inklusive einer Burgruine oder anderweitig spielfördernder Gegebenheiten, für die Dauer der Veranstaltung in einen mittelalterlich anmutenden, von Phantasiegeschöpfen bevölkerten Hexenkessel. Liebevoll geschneiderte Kostüme, die konsequente Verbannung "moderner" Geräte (wie Handy, Radio, Plastikflaschen etc.) und das allgemeine Bestreben, den gewählten Charakter schauspielerisch möglichst authentisch darzustellen, sorgen bei diesem pittoresken Treiben für die angestrebte atmosphärische Dichte [Drachenfest].

Der entgegengesetzte Ansatz, nämlich, statt auf die Würfel auf den Spielleiter zu verzichten, war der Ursprung des Computerrollenspiels, dessen erste Vertreter Mitte der 80er Jahre auf den damals verbreiteten 8- und 16-Bit Computern das Licht der Welt erblickten. Als wegweisend gelten dabei die Ultima-Reihe der Firma Origin, die Bard's Tale- und die Wizardry-Saga von Interplay bzw. Sir-tech Software sowie auch das Spiel Dungeon Master (1991). Neben markanten äußerlichen Unterscheidungsmerkmalen (die Darstellung des Spielgeschehens erfolgte bei Ultima stets aus der Vogelperspektive, bzw. später isometrisch, wogegen Bard's Tale am Anfang eher an ein fensterlastiges Graphik-Adventure erinnerte, später aber, wie Wizardry und Dungeon Master, die 3D-Egoperspektive verwendete) lässt sich schon bei diesen frühen, allesamt nicht multiplayerfähigen Vertretern des Genres, ein bis heute wesentlicher konzeptioneller Unterschied feststellen: "Weltsimulation" vs. Hack 'n Slay.

Während nämlich bei den actionlastigen Hack 'n Slay Vertretern neben dem Lösen oft eher trivialer Puzzles das Kämpfen sowie das Erbeuten von Schätzen und magischen Gegenständen deutlich im Vordergrund steht, legt die Ultima-Reihe in erster Linie Wert auf die epischen Ausmaße der Rahmenhandlung, umfangreiche Nutzung von Texten und atmosphärischer Musik sowie einen extrem hohen Grad an Interaktivität mit der Umwelt. Man kann in Ultima beispielsweise eine Bibliothek betreten und dort in "historischen" Büchern und Gedichtbänden blättern, oder auch auf dem Feld ein wenig Korn ernten, es in der Mühle mahlen und daraus Brot backen. Nichts davon ist für die Entwicklung des Haupthandlungsstrangs essentiell, aber die Detailverliebtheit entsprach dem Firmenmotto Origins, "We Create Worlds" und hatte den nachhaltig andauernden Kultstatus der Serie zur Folge [wikipedia:Ultima]. Interessant dabei ist, dass der Erfolg der omnipräsenten Romanreihe Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien, welcher nicht nur eine Geschichte erzählte, sondern eine komplette, in sich konsistente Phantasiewelt erschuf, auf einem ganz ähnlichen Ansatz basiert.

Mit dem Erscheinen von Diablo (1996), Ultima Online und ähnlich erfolgreichen Titeln in der Folgezeit, namentlich Everquest [EQ], begann die Ära der Multiplayer-RPG und resultierte schließlich unter anderem in Spielen wie den zur Zeit sehr populären Dark Age of Camelot, Dungeon Siege und Neverwinter Nights [NWN]. Die Spieler loggen sich dabei per Internet oder LAN mit ihrem Charakter in einen Server ihrer Wahl ein und haben dann die Möglichkeit, Gruppen mit anderen Teilnehmern zu bilden oder auch allein loszuziehen, um die Spielwelt zu erkunden. Im Gegensatz zu den RTS, wo Science-Fiction-Szenarien sich mit Fantasy-Welten die Waage halten, dominieren dabei letztere, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im RPG-Sektor eindeutig.



Abbildung 5: Versammlung einer Gilde im Spiel Dark Age of Camelot [rpgger]


2.3.1 Charaktergenerierung

Zu Beginn des Spiels muss zunächst der Avatar, also die virtuelle Spielfigur des Teilnehmers, erstellt werden. Je nach zugrundeliegendem Regelwerk variieren die Wahlmöglichkeiten zwischen rudimentär und opulent. Im einfachsten Fall legt man nur die Gewichtung zwischen wenigen, grundlegenden Fähigkeiten fest (z. B. erhöhte Intelligenz um den Preis geringerer Körperkraft bei magiekundigen Charakteren), bei komplexen Regelwerken gilt es, einen ganzen Katalog von Eigenschaften aufeinander abzustimmen.



Abbildung 6: Screenshot eines Charaktergenerators


Typische Kategorien dabei sind Rasse, Klasse, Bekenntnis, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Für den Basischarakter steht dem Spieler eine Anzahl von Erfahrungspunkten zur Verfügung, welche nach Gutdünken auf die Fähigkeiten verteilt werden und zum Erwerben bestimmter Fertigkeiten verwendet werden können. Im späteren Verlauf des Spiels gewinnt man durch Aktionen wie Kämpfen, Zaubern, Lösen von Rätseln etc. weitere Erfahrungspunkte hinzu und baut somit seinen Charakter immer weiter auf. Übliche Eigenschaften eines RPG-Charakters, wie Rüstungsklasse, Bewaffnung, Zauberbuch, Hitpoint- und Mana-Reservoir finden sich in vereinfachter Form auch bei den Helden der RTS wieder, dort allerdings sind sie nur eine der vom Spieler steuerbaren Einheiten, während im RPG der Charakter nicht nur deutlich langlebiger und komplexer angelegt ist, sondern der Spieler sich mit ihm direkt identifiziert, was einen hohen Immersionsgrad zur Folge hat.

Stirbt ein Charakter, so ist es den meisten Spielsystemen möglich, ihn unter Verlust von Erfahrungspunkten oder bereits erworbenen Eigenschaften wiederzubeleben, in einigen allerdings ist er unwiderruflich verloren. Letzteres garantiert einerseits ein Höchstmaß an Spannung, denn niemand möchte gern einen Charakter verlieren, den er Monate, wenn nicht sogar Jahre lang aufgebaut hat. Andererseits ergeben sich daraus natürlich auch Probleme, wenn nämlich vereinzelt auftretende destruktive Spieler sich einen Spaß daraus machen, Charaktere von Mitspielern ohne besonderen Anlass ins Jenseits zu befördern. Diese sogenannten Player Killer sind daher in der Community äußerst unbeliebt und werden nicht toleriert, sondern auf den entsprechenden Servern gesperrt.

Charaktere, deren Eigenschaften durch das gezielte Sammeln von Erfahrungspunkten über einen langen Zeitraum hinweg (Leveln) konsequent verbessert wurden, besitzen übrigens keineswegs nur rein ideellen Wert: hochklassige Avatare, gerade auch aus dem Bereich der MMORPG, erzielen bei eBay nicht selten Preise von mehreren hundert US$.

2.3.2 Non Player Characters (NPC)

Um die Spielwelt eines RPG möglichst interaktiv und abwechslungsreich zu gestalten, wird sie von zahlreichen Monstern und computergesteuerten Charakteren, den NPC, bevölkert. Inbesondere im Singleplayer-Modus ist dies natürlich unumgänglich, aber auch bei Multiplayer-Spielen sind sie unverzichtbar. Man kann NPC grob in drei Klassen einteilen: Creeps, Peasants und Actors. Erstere, in MMORPG gelegentlich auch MOBs (Moving Objects) genannt, finden sich ebenfalls in RTS; es handelt sich um herumlungernde Banden von mehr oder weniger schlagkräftigen Monstern, welche vornehmlich dem Sammeln von Erfahrungspunkten und Erbeuten von Schätzen durch menschliche Spieler dienen. Peasants dagegen sind eine Art Statisten; dazu zählen beispielsweise Bettler, Holzhacker, Bauern, kurzum, das gemeine Volk, welches die Spielwelt bewohnt und in geregelten Bahnen je nach Uhrzeit seinem Tagewerk nachgeht, aber meist keine große Rolle bei der Entwicklung des Handlungsfadens spielt. Actors schließlich sind spieltragende Charaktere, wie der Priester, der dem geneigten Heroen eine heilige Spruchrolle als Belohnung für die Vertreibung der Bestie aus der nahegelegenen Klosterruine anbietet, oder der Kneipenwirt, welcher, ganz wie im richtigen Leben, bestens über die Lokalpolitik informiert ist und dem Spieler gelegentlich mit Hinweisen hilfreich zur Seite steht - ein angemessenes Entgelt natürlich vorausgesetzt.

2.3.3 Parties und Gilden

Ein Schlüsselelement in RPG stellen die Abenteurergruppen dar. Da jeder Charakter Stärken und Schwächen aufweist, ist es üblich, sich zu einer Gruppe - der sogenannten Party - zusammenzuschließen, um den Herausforderungen der Spielwelt besser gewachsen zu sein. Sinnvollerweise setzt diese sich aus Spielern mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen; eine sinnvolle Kombination bestünde z. B. aus ein paar Kriegern für den Nahkampf, ein oder zwei Magiern als Rückendeckung, einem Priester, der seine Kameraden heilen kann und einem Dieb, der in der Lage ist, verschlossene Türen und Truhen zu öffnen. Während es auch Einzelkämpfer gibt, schließen sich jedoch die meisten Spieler, zumindest zeitweise, einer Party an. Der Reiz liegt dabei außer in einer gewissen Sicherheit vor allem in der Interaktion miteinander, denn es ist bei weitem nicht immer so, dass die Mitglieder der Gruppe sich untereinander kennen, obwohl Parties natürlich auch gelegentlich von befreundeten Spielern gebildet werden. Oft allerdings lernt man sich erst während des Spiels kennen und weiß vorher keineswegs, worauf man sich gerade einlässt.

Kontakt zu anderen findet man in einigen Spielen aber nicht nur durch Zufallsbekanntschaften, sondern kann auch gezielt nach Gleichgesinnten suchen, indem man sich an Gilden wendet. Traditionell versteht man darunter die Interessenvertretungen der Zünfte, wie Magie, Diebstahl oder Kampfkunst, welche es neben einem gepflegten Plausch unter "Fachleuten" gelegentlich auch ermöglichen, die eine oder andere Zusatzfähigkeit zu erlernen. Es ist allerdings zu beobachten, dass diese strenge Definition zusehends aufgeweicht und der Begriff Gilde stattdessen als Synonym für Clan verwendet wird.

2.4 Massively Multiplayer Online Games (MMOG)

MMOG, als verhältnismäßig neues Phänomen, stellen strengenommen kein eigenes Genre dar, sondern eher eine Art Meta-Kategorie. Es existiert bisher keine einheitliche Lesart; ein grober Anhaltspunkt ist, dass alle Multiplayerspiele, bei welchen eine "sehr große" Anzahl von Teilnehmern zeitgleich interagiert, unter diesen Begriff fallen. Eine exakte Grenze festzulegen erweist sich zwar als schwierig, da es auch MMOG gibt, an denen eine bis zu sechsstellige Zahl von Spielern gleichzeitig teilnimmt. Als Faustformel gilt aber, dass alle Spiele mit mehr als 1.000 Teilnehmern als MMOG angesehen werden können.

Nahezu alle MMOG haben den Anspruch, eine "virtuelle Welt" zur Verfügung zu stellen, innerhalb derer die "Bewohner", sprich, Spieler, sich dann bewegen. Das jeweilige Genre spielt prinzipiell keine Rolle, der Begriff ist lediglich über die Spielerzahl definiert. Allerdings eignet sich natürlich nicht jede Art von Spielkonzept für eine derartige Masseninteraktion, weshalb auch hier die "üblichen Verdächtigen" den Ton angeben. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass bei MMOG in zunehmendem Maße eine Verquickung der Spielprinzipien zu beobachten ist; die Grenzen zwischen den Genres beginnen sich langsam zu verwischen.

2.4.1 Massively Multiplayer Online First Person Shooter (MMOFPS)

Dieser jüngste Spross der MMOG-Familie hat eine Weile auf sich warten lassen. Nachdem die mögliche Zahl von Clients pro Server sich bei Egoshootern jahrelang nicht signifikant erhöht hatte, ist nun aber auch hier eine Art Quantensprung zu verzeichnen. Das gerade neu erschienene Spiel Planetside [PS] sprengt den Rahmen herkömmlicher FPS in punkto Spielerzahl völlig: mehrere tausend Teilnehmer gleichzeitig pro Server kämpfen um Terrain, Ressourcen und Ruhm im 24 Stunden am Tag rund um den Globus tobenden intergalaktischen Krieg dreier Rassen um die Vorherrschaft im Universum.

Während der Kern des Spiels als klassenbasierter Egoshooter, erweitert um die Benutzung von Fahr- und Flugzeugen, ausgelegt ist, finden sich im großen Umfang auch Elemente der RTS und RPG im Gesamtkonzept wieder. Die Zugehörigkeit zu einer der drei sich technologisch unterscheidenden Rassen, der Entwurf und die Pflege eines Spielcharakters, welcher im Laufe der Zeit Fähigkeiten dazugewinnt und im Kommandorang aufsteigt, die für den Erfolg dringend notwendige Kommunikation mit Dutzenden von befreundeten Squads und die spielentscheidende Sicherung von Nachschublinien und Ressourcen stellen, obwohl letztlich eine Rekombination bekannter Spielelemente, in diesem Umfang einen qualitativ neuen Ansatz dar.

Ohne die konkrete technische Umsetzung bewerten zu wollen, dürfte die Prognose, dass dieses Spielprinzip, als logische Weiterentwicklung herkömmlicher Genres, zukünftig einige Nachahmer finden wird, nicht allzu weit hergeholt sein. Bei der Frage nach dem langfristigen Erfolg allerdings wird von entscheidender Bedeutung sein, ob sich das Modell der monatlichen Beitragszahlung bei den Spielern durchsetzen kann, denn im Gegensatz zu RTS und RPG ist dies bei FPS bisher absolut unüblich.

2.4.2 Massively Multiplayer Online Strategy Games (MMOSG)

Der Grund, weshalb hier nicht von "MMORTS" die Rede ist, liegt zum Großteil in der Tatsache begründet, dass MMOSG bisher nur bedingt Real-Time stattfinden. Im Spiel Planetarion, dem wohl bekanntesten Wegbereiter des Genres, welcher allerdings mittlerweile aufgrund der Umstellung von kostenloser auf gebührenpflichtige Teilnahme und die wachsende Konkurrenz durch Nachfolgeprodukte erheblich an Popularität eingebüßt hat, ist eher eine Kombination aus Real-Time und Rundenbasierung anzutreffen. Zwar kann der Spieler jederzeit Aktionen initiieren, was den anderen Teilnehmern auch zeitgleich angezeigt wird, die konkrete Durchführung und Synchronisation der Vorgänge wird allerdings erst zu jeder vollen Stunde konzertiert vom Server vorgenommen.

Diese Vorgehensweise ergibt sich unmittelbar aus dem Spielprinzip. Im Gegensatz zu den RTS liegt der Schwerpunkt der MMOSG nämlich eher auf den Aspekten klassische Strategie und Wirtschaftssimulation, ohne signifikanten Action-Anteil. Die Verwaltung von Planeten, Raumschiff-Flotten und Forschungseinrichtungen sowie das Betreiben von Handel und Diplomatie nach dem Vorbild klassischer Strategiespiele wie Master of Orion sind überwiegend kopflastig konzipiert. Statistiken und die systematische Organisation des eigenen Imperiums bestimmen das Bild, mit einem nervösen Zeigefinger dagegen ist hier nicht viel zu gewinnen.

Da ein Großteil der Spiele dieses Genres per Login mittels des normalen Web-Browsers gespielt wird, ohne dabei spezielle Client-Software zu benötigen, werden sie gelegentlich auch als Browser Games oder Webbased Strategy Games (WSG) bezeichnet. Nichtsdestotrotz darf man ihren hohen Interaktionsgrad keineswegs unterschätzen: einige der größeren, überwiegend militärisch straff organisierten Allianzen bestehen aus bis zu mehreren hundert Spielern. Wer Mitglied der oberen Ränge der Hierarchie ist und seine Führungsrolle adäquat ausfüllen will, kann sich getrost für eine ganze Weile vom Berufsleben und der Familie verabschieden.

2.4.3 Massively Multiplayer Online Role Playing Games (MMORPG)

Die MMORPG gelten als "Mutter" der MMOG generell. Das Spielprinzip der RPG ließ sich hinsichtlich der Teilnehmerzahl vergleichweise problemlos skalieren, ohne grundlegende konzeptionelle Änderungen vornehmen zu müssen. Als Ergebnis erschien 1997 Ultima Online, welches als erstes echtes MMOG angesehen werden kann; aufgrund des in den Singleplayer-Teilen ohnehin schon enthaltenen Weltsimulationskonzepts war Ultima geradezu prädestiniert für diesen Schritt. Im Jahre 1999 folgte dann mit Everquest der zweite "Veteran"; beide besitzen auch heute noch eine Fangemeinde von jeweils mehreren 100.000 Spielern, haben aber durch aktuellere Titel mittlerweile starke Konkurrenz bekommen. Nach wie vor gilt es, wie in klassischen Rollenspielen, die Spielwelt zu erforschen und mit einer Gruppe von Abenteurern durch die Lande zu ziehen. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass auf jedem der zahlreichen Server mehrere tausend Spieler gleichzeitig mit- oder gegeneinander agieren, was ein völlig neues Spielerlebnis garantiert. Neben den bereits erwähnten Gilden führte dies auch zur Bildung spieltechnisch gänzlich neuer, teilweise aus der realen Welt übernommener sozialer Strukturen innerhalb des Spiels. So lassen sich in einigen Städten und Landstrichen komplette politische Systeme mit Parteien und Regierungen finden, es wird Handel getrieben, Krieg geführt, philosophiert und sogar geheiratet [UOwed].

Inwieweit dieses virtuelle Leben und die dort gemachten Bekanntschaften in die Realität übertragen werden, bleibt den jeweiligen Spielern überlassen und wird sehr individuell gehandhabt. In jedem Falle aber kommen MMORPG, welche als hochgradig immersiv anzusehen sind, dem erklärten Ideal der Weltsimulation bereits ziemlich nahe.


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